
Phase 1: Beginn der Radikalisierung

Oft lässt sich nicht ausmachen, weshalb ein junger Mensch sich für dschihadistische Propaganda zu interessieren beginnt. Es gibt kein typisches Profil für Personen, die offen dafür sind. Die Radikalisierung beginnt vielmehr schleichend, wie im folgenden fiktiven Beispiel:
M. ist 17 Jahre alt. Er ist in der Lehre gescheitert, seine Freundin hat ihn verlassen. Er fühlt sich einsam, unverstanden und zunehmend aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Immer mehr zieht er sich zurück und verbringt viel Zeit im Internet. Er fragt nach dem Sinn des Lebens, sucht Antworten.
Diese erste Phase ist für den weiteren Verlauf entscheidend. M. muss in seiner Krise wahrgenommen werden. Gefordert ist sein gesamtes Umfeld. Erkennt es M.s Anfälligkeit für ideologische Abwege? Kann es dem jungen Mann andere Lösungen für seine Probleme aufzeigen? Die Spirale der sich abzeichnenden Radikalisierung kann an diesem Punkt durchbrochen werden.
- Lehrpersonen (Erziehungsdirektion), Sozial- und Migrationsbehörden, öffentliche und zivilgesellschaftliche Organisationen wie Opferhilfe- und Beratungsstellen oder Jugendarbeiter.
- Präventionsprogramme in den Kantonen, Städten und Gemeinden
- Präventive Ansätze zum Thema Radikalisierung
Medienmitteilung des Sicherheitsverbundes Schweiz vom 04.07.2016 - Nationaler Aktionsplan gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus.
Medienmitteilung vom 04.12.2017
Phase 2: Der Nachrichtendienst wird aktiv

M. radikalisiert sich zunehmend. Er liest dschihadistische Propaganda und ist in den sozialen Netzwerken aktiv. Er postet Inhalte, die dem „Islamischen Staat“ entsprechen und zeigt seine Bewunderung für Syrienkämpfer und Attentäter. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wird auf M. aufmerksam und beobachtet seine Aktivitäten.
Wäre der junge Mann ein Ausländer, könnten auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) und die kantonalen Migrationsbehörden wichtige Hinweise zur Radikalisierung geben.
- Dschihad-Monitoring des NDB im Internet, präventive Ansprachen: Der NDB kontaktiert die auffällige Person, resp. die Eltern von Minderjährigen, und weist sie im Rahmen eines freiwilligen Gesprächs auf mögliche auch strafrechtliche Konsequenzen seines Tuns hin
- Nichterteilung oder Widerruf von Asyl und Aufenthaltsbewilligungen
- Visaverweigerung
- Intensive Kooperation zwischen den Sicherheitsbehörden (TETRA)
- Nachrichtendienstgesetz NDG
NDG (SR 121)
Phase 3: Polizeiliche Interventionen und Ermittlungen

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat Hinweise, dass M. eine Straftat vorbereitet oder begehen könnte oder schon begangen hat. Er übergibt die Hinweise an fedpol. Noch ist kein Strafverfahren eröffnet, fedpol leitet erste polizeiliche Ermittlungen in die Wege. fedpol nimmt auch Hinweise von anderen schweizerischen oder ausländischen Diensten entgegen, aufgrund derer polizeiliche Verfahren oder Ermittlungen aufgenommen werden.
- fedpol
Aktuell:
- Polizeiliche Ermittlungen
- Nichterteilung/Widerruf von Asyl und Aufenthaltsbewilligungen
- Einreiseverbote und Visaverweigerung
- Ausweisungen und Ausschaffungen (Gefährdung der Sicherheit)
- Intensive Kooperation zwischen den Sicherheitsbehörden (TETRA)
Geplant:
- Polizeiliche Massnahmen ausserhalb des Strafverfahrens (u.a. Sperrung der Reisedokumente, Meldepflicht bei der Polizei, verdeckte Registrierung im Schengener Informationssystem SIS). Der Vernehmlassungsentwurf wird voraussichtlich Ende 2017 vorliegen.
Medienmitteilung vom 8.12.2017
- Zugriff von fedpol auf die Passagierdatenbank API im Rahmen des revidierten Ausländergesetztes. Es tritt voraussichtlich im Frühling 2018 in Kraft.
- Reglementierung über die Vorläuferstoffe. Der Vernehmlassungsentwurf wird voraussichtlich Ende 2017 vorliegen.
Medienmitteilung vom 8.12.2017
Phase 4a: Strafverfahren und Anklage

fedpol konnte ausreichend belastendes Material zusammentragen. Die Bundesanwaltschaft eröffnet ein Strafverfahren gegen M.
Aktuell:
- Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen „Al Qaida“ und „Islamischer Staat“ sowie verwandter Organisationen , kriminelle Organisationen nach Artikel 260ter Strafgesetzbuch
Bundesgesetz (SR 122)
Artikel 206ter StGG (SR 311.0)
- Strafprozessrecht StPO: Zwangsmassnahmen (Überwachung der Kommunikation, Observation, Ansprachen, Untersuchungshaft oder Ersatzmassnahmen wie Sperrung der Reisedokumente, Meldepflicht bei der Polizei etc.)
StPO (SR 312.0)
- Polizeiliche Kooperation und Rechtshilfe
- Intensive Kooperation zwischen den Sicherheitsbehörden (TETRA)
Geplant:
- Am 1. Januar 2018 tritt das neue Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs in Kraft.
BÜPF (SR 780.1)
- Gesetzesentwurf zur Umsetzung des Europarat-Übereinkommens zur Verhütung des Terrorismus mit Zusatzprotokoll. Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen zu kriminellen Organisationen (Art. 260ter StGB). Überführung des bis Ende 2018 befristeten Verbots der terroristischen Organisationen Al-Qaida und IS in das reguläre Recht.
Federführung Bundesamt für Justiz BJ
Phase 4b: Verurteilung

M., gegen den ein Strafverfahren eröffnet wurde, wird auf Anklage der Bundesanwaltschaft vom Bundesstrafgericht verurteilt. Er kann das Urteil an das Bundesgericht weiterziehen.
Strafverfahren Bundesstrafgericht
Urteile Bundesgericht
- Freiheitsstrafe, bedingt oder unbedingt (höchstens 5 Jahre), allenfalls mit therapeutischen Massnahmen und Verwahrung, Kontakt- und Rayonverbot, Tätigkeitsverbot.
- Ausländer, welche die innere oder äussere Sicherheit gefährden, können ausgewiesen werden. Ausländer, die terroristische Straftaten begangen haben, werden des Landes verwiesen.
Phase 5: Strafvollzug

M. ist verurteilt worden. Er verbüsst seine Strafe oder Reststrafe in einem Schweizer Gefängnis.
- Straf- und Massnahmenvollzugsbehörden
Aktuell:
- Freiheitsstrafen, allenfalls mit therapeutischen Begleitmassnahmen
Geplant:
- Optimierung des Informationsaustausches zwischen Sicherheits- und Justizvollzugsbehörden vor Haftantritt, während des Verfahrens, im regulären Strafvollzug, zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Justizvollzug und bei der Festlegung von Bewährungsauflagen
- Intensivierung des Wissenstransfers und des Erfahrungsaustausches zwischen Staatsanwaltschaften, Sicherheits- und Justizvollzugsbehörden
- Überprüfung der Haftregime und der Vollzugsziele (Deradikalisierung)
Phase 6: Nach dem Strafvollzug

M. hat seine Strafe verbüsst. Er ist wieder ein freier Mensch. Aber wo steht er innerlich? Glaubt er nach wie vor an den dschihadistischen Kampf und dessen Propaganda? Ist er noch immer gefährlich? Oder hat er eine Kehrtwende vollzogen? Will er sich wieder in die Gesellschaft einfügen und unsere Werte respektieren?
Aktuell:
- Ausländern kann die Doppelbürgerschaft entzogen werden. Bei Gefährdung der inneren Sicherheit können sie ausgewiesen werden, oder ihre Einreise wird verboten. Die Ausweisung kann allerdings nur vollzogen werden, wenn der Person in ihrem Herkunftsstaat weder Folter noch unmenschliche Strafe oder Bedrohung droht.
- Obligatorischer Landesverweis für Straftaten, die nach dem 1. Oktober 2016 begangen wurden.
Medienmitteilung des Bundesrates vom 04.03.2016
- Ausländern kann auch die Aufenthaltsbewilligung entzogen werden verbunden mit einer anschliessenden Ausweisung und Einreiseverbot.
- Polizeiliche Massnahmen, gestützt auf kantonales Recht.
- Punktuelle Begleitung durch Sozialbehörden.
- Massnahmen (entsprechend Phase 1 und 2).
- Nationaler Aktionsplan gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus.
Medienmitteilung vom 04.12.2017
Geplant:
- Neue polizeiliche Massnahmen ausserhalb des Strafverfahrens: Sperrung der Reisedokumente und Meldepflicht, verdeckte Registrierung.
Medienmitteilung vom 08.12.2017
Letzte Änderung 17.01.2018